Portraitserie von J.S.
Die Idee kam mir, als ich im Tram sass und die Leute beobachtete. Ich machte mir Gedanken über die Leute und dachte mir Geschichten zu ihnen aus. Ich probierte sie einzuschätzen. Dann dachte ich, ich könnte doch verschiedene Menschen befragen, im Rahmen von Mobile Basel wie auch andere interessante Menschen.
Das Thema hat oft mit psychischen Erkrankungen zu tun und dem Umgang damit.
Interview mit Elisa
Warum bist du Lehrerin?
Ich habe ein grosses Interesse an Menschen, ihrer Vielschichtigkeit und Entwicklung. Sicher habe ich auch das Bedürfnis, Schönes und mir Wichtiges zu vermitteln. Besonders die Sprache fasziniert mich. Mein Studium absolvierte ich in Deutsch und Philosophie, diese Fächer unterrichte ich auch am Gymnasium.
Meine Schüler-/ Innen sind zwischen fünfzehn und zwanzig Jahre alt und schliessen mit der Matur ab.
Hast du Schüler-/ Innen, die es besonders schwierig haben? Kennen Sie psychische Probleme?
Ja, ich habe Schüler-/Innen mit Problemen, die Jugendlichen sind oft sehr offen und fragil, sie nehmen besonders sensibel wahr, was gesamtgesellschaftlich problematisch ist. In einer Klasse sind bis zu ein Drittel psychisch belastet. Viele haben mit Druck zu kämpfen, daraus folgen z.B. Panikattacken, Essstörungen, Psychosen und Depressionen, manchmal ist auch Drogenkonsum eine Folge.
Immer häufiger unterrichte ich auch Schüler-/ Innen mit einer ADS- oder ADHS- Diagnose. Einzelne sind in psychiatrischer Behandlung und brauchen eine Auszeit von der Schule.
Wie gehst du mit all diesen Herausforderungen um, was kannst du konkret tun?
Schule bringt mit sich, dass ich viel mit den Schüler-/Innen zusammen bin. Ich versuche sie aufmerksam zu begleiten. Wenn ich merke, dass etwas nicht stimmt, suche ich das direkte Gespräch. Bei einer Krise wende ich mich an die Schulpsychologin oder wenn es akut ist, kontaktiere ich direkt die klinische Notfallstation.
Allgemein gebe ich mir Mühe, natürlich und ehrlich zu sein. Einzelne habe ich auch schon in der Jugendpsychiatrie besucht. Dort bekommen sie auch Schulunterricht.
Was kann die Gesellschaft integrativ tun?
Mir scheint es wichtig zu sein, dass wir im Blick behalten, dass die Trennung von gesund und krank graduell ist. Gerade Menschen mit einer psychischen Erkrankung haben vielfach sehr gesunde Anteile, besondere Qualitäten und Fähigkeiten. Das Tempo und der Leistungsdruck in unserer Gesellschaft ist sehr hoch und es stellt sich die Frage, wer genau krank ist. Etwa derjenige, der nicht mithalten kann, oder diejenige, die sich den Erwartungen entzieht?
Ich würde mir wünschen, dass sich alle noch mehr öffnen und den Blick weiten, um gemeinsam überfällige Entwicklungen anzustossen und zu vollziehen.
Sogenannte Gesunde und Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung, für und miteinander.
Ist «psychisch krank» ein Tabu-Thema bei uns?
In den letzten Jahren hat sicher eine grosse Enttabuisierung statt gefunden.
Wir haben aber alle noch viel zu tun, damit psychische Erkrankungen ähnlich vorurteilsfrei aufgenommen werden wie physische.
J.S., 06.06.2023
Interview mit einer Psychotherapeutin
Warum bist du Psychotherapeutin?
Die menschliche Seele hat mich schon immer interessiert. Während meiner Ausbildung zur Psychiatrie Schwester merkte ich, dass ich mehr Verantwortung wollte.
In Einzelgesprächen zu arbeiten und selber Entscheidungen zu treffen, waren meine Motivation. Meine psychologische/ psychotherapeutische Ausbildung habe ich sowohl in Deutschland als auch in Basel gemacht. Meine Ausbildung zur Psychotherapeutin dauerte zwölf Jahre.
Was ist das Spannende an deiner Arbeit?
Spannend und interessant finde ich ein inneres, emotionales und gedankliches Durcheinander und Konflikte gemeinsam zu bearbeiten, da wo es schwierig ist, es zu erklären und in Worte zu fassen. Gemeinsam raus zu finden, wo das Problem liegt, die Ursache zu finden und sich eine mögliche Lösung zeigt.
Wo sind die Unterschiede zwischen gesunden Menschen und psychisch beeinträchtigten Menschen?
Das Leiden ist ein wichtiger Punkt. Entweder leidet der Betroffene oder aber die Umgebung, beziehungsweise die Angehörigen und manchmal auch Alle.
Gesunde Menschen haben auch Sorgen, aber sie haben oft mehr Ressourcen, wie sie damit umgehen. Sie können sich meist besser Hilfe holen und sich besser abgrenzen, sie lassen es selten so nahe an sich heran. Eine psychische Erkrankung ist mit Leiden verbunden. Beim Thema Leistung ist klar, dass ein Betroffener noch seine Erkrankung mitträgt und daher auch nicht dieselbe Leistung erbringen kann wie ein «gesunder» Mensch. Viele Arbeiten sind dann sehr mühsam und mit einem grossen Kraftaufwand verbunden.
Normale Aktivitäten werden für Beeinträchtigte zu sehr viel Arbeit. Man kann es eigentlich schwer vergleichen.
Wie sind psychisch erkrankte Menschen bei uns in der Gesellschaft integriert?
Ich sehe einen grossen Bedarf an Integration. Oft ist die erste Frage bei einem Kennenlernen, “was machst du und was arbeitest du?”. In der Schweiz ist die Norm sehr wichtig, die Angst davor «Anders» zu sein, ist gross. Wichtig ist es, wie wir miteinander umgehen, ob wir tolerieren können, dass jemand «anders» ist.
J.S., 01.03.2023